Kyrill Genow aus Berlin genießt seit elf Jahren eine gewisse Berühmtheit, da er der Namensgeber für den schwersten Orkan bzw. das dazugehörige Tiefdruckgebiet der jüngeren Vergangenheit war. Das damals über Deutschland hinwegfegte und vor allem in meiner sauerländischen Umgebung, aber auch in vielen anderen Regionen, für viele umgestürzte Bäume, abgedeckte Dächer und hohe Sach- und Personenschäden gesorgt hat. Herr Genow hatte diese Namenspatenschaft von seiner Familie zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ob er sich rückblickend über dieses Geschenk wirklich gefreut hat, ist mir allerdings nicht bekannt.
Gestern, auf den Tag genau 11 Jahre nach dem Orkan Kyrill, war es nun eine gewisse Friederike Hesse, der man am 16. Januar offiziell durch die Freie Universität Berlin ein Tiefdruckgebiet zugeordnet hat. Über den Grund oder Anlass dieser Patenschaft ist noch nichts bekannt. Aber sie bzw. vielmehr ihr Vorname wird wohl, ähnlich wie Kyrill, recht lange im Gedächtnis der Menschen verbleiben.

Ein kleiner Rückblick aus meiner Sicht auf diesen doch recht turbulenten Tag:
Ich habe den Tag nach den entsprechenden Vorankündigungen zuhause verbracht und die Fahrt ins 35km entfernte Büro vermieden. Die Kinder blieben ebenso zuhause, da man es seitens der Landesregierung den Eltern überlassen hat, ob sie an dem Tag zur Schule gehen sollten oder nicht. Wir hielten es auf jeden Fall für besser, wenn sie während des Sturms zuhause sind und nicht mit dem Bus unterwegs sind oder später von dort nicht mehr wegkommen.

Gegen acht Uhr begannen wir damit, den Garten sturmsicher zu machen. Da der kleine Geräteschuppen momentan durch zwei gebrochene Holzleisten etwas angeschlagen ist, brachten wir viele der dort gelagerten Kleinteile in den Keller. Die Mülltonnen rückten wir näher an das Haus, Steine wurden auf die Auflagenboxen im Garten gelegt usw. Aufgrund der geringen Windlast habe ich die Antennenmasten unverändert stehen lassen. Mein Nachbar kurbelte aber zur Sicherheit seinen 18m Gittermast herunter, um Defekte an seiner Antennenanlage zu vermeiden.
Die Biomülltonne konnte leider nicht am Haus stehen bleiben, da an diesem Tag ihre Leerung bevorstand. Sie musste beweisen, dass sie trotz ihrer geringen Größe auch allein an der Straße stehen kann. Wir behielten die Straße aber im Auge, um sie nach der Leerung direkt zurück zu holen. Zwischenzeitlich erreichte mich aber der Anruf unseres Nachbarn, der mich informierte, dass die letzte Windböe die noch volle Tonne dann doch noch auf die Straße befördert hat. Dabei hatte der Sturm noch nicht einmal richtig angefangen. Ich befürchtete schon eine mittelschwere Sauerei auf der Fahrbahn, war dann aber positiv überrascht, dass die Tonne noch verschlossen und nichts herausgefallen war. Ich hätte mir nicht viel Schlimmeres vorstellen können, als mitten im Sturm alte Bioabfälle von der Straße aufzusammeln.
Zurück im Haus kümmerten wir uns um ein paar gewöhnliche Hausarbeiten, während mein Blick immer wieder aus dem Fenster in den Garten fiel. Der Wind wurde deutlich stärker und das Pfeifen wurde immer lauter. Im Augenwinkel sah ich, wie der Deckel der Regenwassertonne wild rotierend über die Wiese zur Straße hin taumelte. Genau an den hatte ich zuvor nicht mehr gedacht und ihn so nicht mit Steinen vor dem Abflug gesichert. Also schnell in die Gummistiefel, die dicke Jacke an und raus. Der Wind konnte einem schon den Atem nehmen und mein Blick wanderte immer wieder über das Grundstück, die Antennenmasten bei mir und im Garten des Nachbarn. In einem Gebüsch am Straßengraben konnte ich den Deckel wieder an mich nehmen und zurück an seinen angestammten Platz bringen. Natürlich nicht, ohne ihn jetzt mit schweren Steinen zu beschweren. Es gibt Fehler, die macht man nur einmal.

Zwischendurch gab es immer wieder windstille Augenblicke. Wie aus dem Nichts folgte dann wieder eine extreme Windböe bei der ich mich reflexartig an die Hauswand drückte. Die zwischen 6 und 9m hohen Antennenmasten bogen sich im Wind und ich hatte zwischendurch wirklich Sorge, ob sie diesen Sturm unbeschadet überstehen. Sie dienen letztlich nur als Haltepunkte für eine Drahtantenne und haben so keine wirkliche Last zu tragen. Ein nachträgliches „Flachlegen“ der Masten kam bei dem aktuellen Wind aber nicht mehr in Frage. Die hätte man bei der Windstärke selbst zu dritt nicht unter Kontrolle bringen können.
Während ich auf der Terrasse nach dem Rechten gesehen hatte, hörte ich hinter mir ein lautes dumpfes Scheppern. Sämtliche zuvor noch am Haus befindliche Mülltonnen hat der Wind einige Meter vom Haus entfernt und sie lagen nun zum Teil kopfüber, aber noch verschlossen, auf der Wiese und wurden nur durch einen kleinen Zaun daran gehindert, auf oder gegen unser Auto gedrückt zu werden. Während ich mich ihnen näherte durfte ich mit ansehen, wie der Wind die Gelbetonne drehte und sich dabei der Deckel öffnete. Heldengleich – und für jeden Hollywood-Actionfilm war das sicher eine Oskar-reife Szene – bin ich im Hechtsprung getragen durch die nächste Orkanböe auf die Tonne gesprungen und habe mit einer Hand den Deckel wieder zugedrückt, während ich den schon herausgewehten Inhalt mit der anderen Hand wieder eingesammelt habe. (Diese Szene mag sich jetzt bitte jeder zusammen mit Action geladener Musik und in einer extremen Zeitlupe vorstellen. Danach dann jubelnde, feiernde und sich abklatschende Menschen. Man kennt das.)

Die Mülltonnen habe ich danach in den Windschatten direkt vor die Haustür gestellt. Das sah zwar bescheiden aus, aber dafür konnten sie von dort nicht mehr so ohne Weiteres wegbewegt werden.
Glücklicherweise kam es bei uns am Haus zu keinen weiteren Problemen oder gar Schäden und ich musste nicht erneut ins Fliegen geratene Gegenstände bergen. Wirklich kaputtgegangen ist nichts und auch die Antennenmasten haben alles unbeschadet überstanden. Ein später Blick auf den Gittermast unseres Nachbarn zeigte, dass auch bei ihm wohl alles überlebt hat. Zumindest soweit man das von unserer Seite aus sehen kann.

Im Internet erkennt man aber relativ schnell, dass leider nicht alle so viel Glück hatten. Etliche Bäume in den angrenzenden Wäldern, aber auch solche in Wohngebieten sind umgestürzt. Dächer von Krankenhäusern wurden abgedeckt und so manche Straße war im Sauerland und darüber hinaus unpassierbar. Und leider kamen auch bei diesem Sturm wieder einige Menschen ums Leben.
Es war ein turbulenter Tag, den ich so bitte nicht zur Gewohnheit werden lassen möchte. Insgesamt bin ich mir aber sicher, dass wir nicht wieder 11 Jahre auf den nächsten Orkan warten müssen. Ich hoffe nur, dass die Auswirkungen dann nicht so heftig sein werden und niemand dabei zu Schaden kommt.

_____________________________________________________

Ich habe hier einmal einige Veröffentlichungen aus Twitter usw. verlinkt.

https://twitter.com/aktuelle_stunde/status/953996548152717312